Ich bin's mal wieder, der Dude. Vor kurzem hat mich etwas stutzig gemacht. Ich befand mich zwecks Kleidungsbeschaffung in der Stadt, und wie ich durch die Gänge einer Filiale einer namhaften Warenhauskette schlenderte, sprang mir etwas ins Auge. Über mehrere Regale verteilt präsentierten sich Kleidungsstücke aller Art, sämtlich das gleiche Motiv tragend – das Gesicht eines Mannes in seinen besten Jahren, dessen Augen verwegen und kristallklar in die Ferne blickten. Auf dem Kopf trug er ein Barett, unter dem ihm eine lange schwarze Mähne bis auf die Schultern fiel. Ernesto Rafael Guevara de la Serna, bekannt geworden unter seinem Beinamen Che.
Ich war zugegebenermaßen verwirrt. Plante die Handelskette (ich würde hier natürlich meine Funktion missbrauchen, wenn ich verriete, dass es sich um eine Filiale des Konzerns „Galeria Kaufhof“ handelte), durch die Verbreitung der Gesichtszüge eines marxistischen Freiheitskämpfers die deutsche Jugend zur sozialistischen Revolution und zum Kampf gegen die Mächte des Kapitalismus aufzurufen? Schnitt sie sich damit nicht ins eigene Fleisch?
Nachdenklich ging ich weiter, und siehe da, plötzlich konnte ich das gleiche Motiv überall erblicken. Es gab das Gesicht Guevaras auf Bettdecken, Kaffeetassen, Rucksäcken, Postern, Bannern, Handyhüllen. Was kommt als nächstes? Guevara-Figuren im Wackelelvis-Stil? Damit würde man sicherlich die allgemeine Erheiterung fördern („Wetten, ich hab’ nen wackelnden Kommunisten im Auto?“), aber weshalb zum Donner gerade der Che?
Diese Frage beschäftigte mich eine ganze Weile lang. Aus welchem Grund sind Menschen bereit, viel Geld zu bezahlen, um ein Abbild eines kubanischen Guerillaführers am Leib oder sonst wie präsentieren zu können? Die 68er sind vorbei, die Revolution abgeflaut. Der allgemeinen Grundstimmung entnehme ich, dass die meisten jener Personen herzlich wenig dazu bereit sind, auf ihren gewohnten Lebensstandard zu verzichten und sich im Zuge eines waghalsigen Unabhängigkeitskampfes als Märtyrer zu opfern. Diese Menschen tragen Guevaras Abbild, um sich als rebellisch und unbestechlich zu präsentieren, während sie bei Saturn einkaufen und bei McDonalds zu Mittag essen, sich eine Coca Cola genehmigen und Kunden bei AOL werden.
Che Guevara, ein Mann, der sich Zeit seines Lebens gegen Materialismus aussprach, ist zu einem Musterbeispiel modernen Kommerzes geworden. Die Ironie ist so dick, man könnte sie mit einem Messer schneiden.
Und mit Ches Namen wird nicht erst seit kurzem Profit gemacht, wir sprechen hier von einem Zeitraum von Jahrzehnten – und der Hype reißt einfach nicht ab. Der arme Mann muss seit Ewigkeiten im Grab rotieren.
Ich frage mich, wie viele der Menschen, die ihn zu ihrem Idol erklären, wirklich wissen, was dieser Mann leistete, wofür er eintrat – ja, ob sie sich nicht sogar in gnädiger Unkenntnis darüber befinden, welcher politischen Gesinnung er angehörte. Aber das scheint heutzutage von untergeordneter Wichtigkeit zu sein. Es sind Menschen, die ein Kreuz nicht aus religiöser Überzeugung tragen, sondern weil es ein nettes Schmuckstück abgibt. Menschen, die sich das Logo von „Brot für die Welt“ oder „Unicef“ an die Heckscheibe kleben und die Ungerechtigkeiten in der Welt bejammern, das Engagement aber anderen überlassen.
Natürlich gibt es auch jene, die sich ernsthaft mit der Person Guevara und mit seinen Leistungen befasst haben, bevor sie sich zu seinen Lehren bekannten und willige Werbeträger wurden – oder dies zumindest von sich behaupten. Doch auch sie lassen sich leicht aus der Fassung bringen, wenn man sie fragt, warum die Mitstreiter Guevaras wie beispielsweise Siméon Cuba Sarabia oder Juan Vitalio Acuña Núñez für sie uninteressant sind. Auch sie starben für ihre Sache und sollten jemandem, der sich selbst zum Guevara-Experten ausruft, bekannt sein. Aber Fehlanzeige. Oftmals kann man sogar ungläubiges Staunen ernten („Der Mann war Kommunist? Und tot ist er auch noch?“).
Aber was rege ich mich auf. Guevara ist kein Guerillero mehr. Er ist nun das Produkt von Marketingunternehmen, und die meisten Menschen sind gewillt, jenen Konzernen ihre Seele zu übertragen und auch noch dafür zu bezahlen. Und denkt an meine Worte: das ist noch nicht das Ende. So lange, wie die Nachfrage besteht, wird sich das Produkt Guevara weiterentwickeln. In ein paar Jahren wird er eine Zeichentrickfigur im Anime-Stil sein, der mit seiner AK-47 die bösen Kapitalisten zu Hunderten ins Jenseits befördert, und immer noch genug Zeit hat, seine Havanna zu rauchen und markante Sprüche zu reißen. Besser noch, man verändert sein Antlitz dahingehend, dass man ihm zwei riesige, schwarze, tellerförmige Ohren verpasst, um den Wiedererkennungswert zu steigern. Die Menschen würden sich Straßenschlachten liefern, um an diese Produkte zu gelangen.
Und das traurigste daran ist: dadurch würden sie ihrem Idol sogar ein Stück näher kommen. Sie würden es bloß niemals bemerken.
Montag, 24. Dezember 2007
Ihr seid keine Guerilleros
-Dude-
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen