Hier spricht mal wieder nicht Bäm Becker, sondern der Dude.
Ich muss Ihnen von einem kürzlich erlebten Abend erzählen. Der Grund dafür ist, dass jener Abend zweierlei mit sich brachte – zum einen wurde mein Frieden empfindlich gestört, zum anderen machte er mich zutiefst nachdenklich.
Ich befand mich mit einigen Freunden im hiesigen Irish Pub (und glaubt mir – allein schon für ihre Pubs haben die Iren die Souveränität verdient). Die Kneipe war voll, die Stimmung gut, der Guinness trinkbar. Die Gespräche bewegten sich auf gewohnt hohem Niveau, doch dann wurde ich in eine Unterhaltung mit einem Kumpel verwickelt. Eigentlich hatte ihn vor, ihn hier namentlich zu nennen, aber ich sehe ihn bereits im Geiste wütend gestikulierend mit seinem Anwalt telefonieren, also… nennen wir ihn General Lee.
Ich wähle dieses Pseudonym, da er mit seinem Namensvetter einiges gemeinsam hat, neu ist nur eine fanatische Radikalität. Er ist mehr ein Mittelding zwischen Lee und Fidel Castro, nur rechter. Wäre der echte Lee Virginia gewesen, mein Kumpel wäre Texas. Das Verhältnis dieses Mannes zu den Idealen der ehemaligen Konföderierten Staaten von Amerika kann annähernd verglichen werden mit dem von Keith Richards zu einer guten Tüte Spliff - er inhaliert die Ideale förmlich, stößt sie wieder aus und gibt sie an seine Umwelt weiter, bis alles mit dreizehn Sternen versehen ist. Warum ich ihn mit Keith Richards vergleiche? Er vollführt diese Prozedur vierundzwanzig Stunden am Tag.
Die Unterhaltung begann auf gewohnte Weise. General Lee verlangte von mir, meinen Treueid auf den Süden (oder „Dixieland“, wie er es auch gerne nennt) zu schwören. Als dieser Schwur ausblieb, beschimpfte er mich als Yankee. Nun, ich merkte, dass ich hier durch höfliches Lächeln und Nicken nicht weiterkam. Außerdem war durch diese Äußerung mein Frieden natürlich gefährdet worden, ich konnte nun nicht anders als zurückzuschlagen.
„Sir“, begann ich, „ich möchte Sie höflichst darauf hinweisen, dass ich an ihren radikalen Ansichten leider keinen Gefallen finden kann. Ich möchte Sie bitten, dies gemäß Artikel 5, Absatz 1 unseres Grundgesetzes zu akzeptieren.“
Es schien ihm herzlich wenig zu interessieren. Er überlegte kurz und schaltete dann im Geiste auf Capslock.
„DU VERDAMMTER YANKEE!“ Ich entschied mich, noch einen Versuch zu starten. „Sir, ich bitte Sie, zügeln Sie ihr Temperament. Es sind Damen anwesend. Auch bin ich in dem Glauben, Sie haben meine Konklusion nicht verstanden. Ich sehe mich weder den Nordstaaten noch Ihren Südstaaten zugehörig, und möchte Sie bitten, meine Neutralität zu akzeptieren.“
Alles wurde still. Sogar der Guinness hörte auf zu fließen. Für 20 Sekunden.
„BIST DU JETZT EIN SÜDSTAATLER ODER NICHT?“
Es war ungeheuer frustrierend. General Lee begann sogar, ein Lied anzustimmen, das von brennenden Kreuzen und einem Reiter in weißer Robe handelte. Ich fühlte mich nun in meiner Ehre verletzt, also gingen wir vor die Tür und duellierten uns.
Möglich, dass mich hier meine Erinnerung ein wenig täuscht. Vielleicht habe ich diesen letzten Teil ein wenig ausgeschmückt, ja, vielleicht habe ich ihn auch nur erfunden. Und eventuell habe ich auch nicht ganz so fundiert argumentiert, wie ich es hier niedergeschrieben habe. Irrelevant. Sein Punkt war, dass es nur Südstaatler (oder „Rednecks“) gebe, und Yankees. Und Menschen, die keine Ahnung hätten. Wobei zwischen den beiden letztgenannten eine Art Wechselwirkung bestünde – ein Yankee habe grundsätzlich keine Ahnung, und wer keine Ahnung habe, sei ein Yankee.
Jedenfalls ist es jetzt für mich an der Zeit, mich mit der Problematik auseinanderzusetzen. Ich bat ihn, mir fünf Punkte zu nennen, für die der Süden steht. Hier seine Antwort:
1.) Baumwollplantagen.
Was ist damit? Baumwollplantagen sind langweilig. Darauf stehen Pflanzen, die man weder rauchen noch essen kann. Gut, ja, Textilienherstellung – trotzdem langweilig.
2.) Musik
Ich mag Musik. Leider war aus seiner Antwort nicht ersichtlich, um welche es sich dabei handelt. Erst umfangreiche Recherchen ergaben, dass in den Südstaaten Gospel, Jazz, Country-Musik und Blues entstanden. Na, Blues lass ich mir doch gefallen!
3.) Steaks
Welcher Mann könnte einer solchen Versuchung widerstehen? Ein saftiges Rindersteak, je nach Geschmack englisch, medium oder durch… Langsam begann der Süden, mir sympathisch zu werden.
4.) Whisky
DAS Geschenk der Schotten an die Menschheit. Wenn alle Südstaatler Freunde dieses Genussmittels sind, können sie dann überhaupt schlechte Menschen sein?
5.) Barbecue (BBQ)
Der Höhepunkt der Aufzählung. Beim BBQ kommen alle Aspekte zusammen, die das Leben lebenswert machen – Freundschaft, Fleisch, Musik, Kameradschaft, nachbarschaftliche Hilfe, Bier, Whisky, große Grills, Feuer, Frauen... ein Gebilde, so unbeschreiblich und vollkommen wie sonst kein anderes von Menschen geschaffenes Kunstwerk. Da Vinci hätte seine Forschungen über den Haufen geworfen für ein gutes BBQ. Es ist der Gipfel der Perfektion.
Das Barbecue hat mich schließlich überzeugt. Wenn der Süden eine Region ist mit Menschen, die gerne grillen, Blues hören und trinken, will ich nie etwas Schlechtes gegen ihn gesagt haben. Ja, ich möchte alles zurücknehmen, was ich je von mir gab und was nicht in einer Lobpreisung des Südens resultierte.
Meine anfänglichen Bedenken beruhten auf der Annahme, die Ideale des Südens wären verbunden mit Rassismus, Engstirnigkeit, Fanatismus und dem Wunsch nach der Wiedereinführung der Sklaverei – aber wenn dem so wäre, hätte General Lee mir doch sicherlich davon berichtet, oder nicht?
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